Massaker nach Kriegsende in der Tschechoslowakei lassen sich nicht verschweigen

Die Bewältigung der Vergangenheit stößt in der Tschechischen Republik auf Grenzen. Sollte doch mit der deutsch-tschechischen Erklärung ein dicker Schlussstrich unter das Vergangene gezogen werden. Die Verbrechen an Deutschen nach 1945 lassen sich jedoch nicht verschweigen. Durch die Freilegung eines Massengrabes in Drasenau/Drazenov in der Nähe von Taus/Domazlice kamen die Gräueltaten an Deutschen in der Tschechoslowakei wie eine Leiche, die in einem See versenkt wurde, wieder an die Oberfläche.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge hatte einen Hinweis auf ein Massengrab mit deutschen Soldaten in der Nähe von Drasenau/Drazenov erhalten.
Bei der Suche danach entdeckte man eine Stelle, die wie ein Bombentrichter aussah. Es handelte sich jedoch um ein eingestürztes Massengrab. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge barg die Gebeine von 54 männlichen Personen. Die Toten konnten nicht identifiziert werden. Außer einigen Knöpfen fand man keine weiteren Gegenstände.

Widersprüchliche Meldungen in der tschechischen Presse über das Massengrab - Zeitzeugen werden bedroht

Das Massengrab löste auf beiden Seiten der deutsch-tschechischen Grenze Diskussionen aus. Die lokale Presse schrieb ausführlich darüber. Spekulationen schossen wie Pilze aus dem Boden. Die tschechische Zeitung "Mlada fronta dnes" berichtete, Anwohner nähmen an, dass es sich um tschechische Opfer eines Todesmarsches aus einem KZ handele. Ein tschechischer Kommunalpolitiker wollte wissen, die Toten habe man als Funktionäre der NSDAP hingerichtet. Ein tschechischer Historiker glaubt, in dem Massengrab seien Soldaten der Deutschen Wehrmacht begraben worden. Schließlich meldete sich ein früherer Angehöriger des tschechoslowakischen Innenministeriums. Er gab, er wisse von einem Massengrab mit 150 deutschen Soldaten. Sein historischer Verein würde die Toten exhumieren, wenn Deutschland das bezahlen würde. Er blieb verschwunden. Es ist anzunehmen, dass er von seinen Landsleuten massiv bedroht wurde.

In Taus/Domazlice kochten die Emotionen hoch. Niemand von der Erlebnisgeneration war bereit, aus Angst bedroht zu werden, etwas zu den damaligen Ereignissen zu sagen. Jüngere Leute sind jedoch offenen. Sie erklärten, sie hätten etwas darüber gehört. Das Thema sei jedoch ein Tabu. Ein Tauser Journalist wurde als Nazi beschimpft, weil er in der örtlichen Zeitung über das Massengrab berichtete.

Tschechische und deutsche Quellen bestätigen die Massenmorde

Über die Massenmorde in der Umgebung von Taus/Domazlice gibt es aus tschechischen und deutschen Quellen zahlreiches Beweismaterial.

Nach den Forschungen des tschechischen Historikers Tomas Stanek untersuchte der tschechoslowakische Staatssicherheitsdienst (StB) im Jahre 1946 die Hinrichtungen von Deutschen in der Umgebung von Taus/Domazlice. Nach seinen Recherchen hatte die Befehle zu den Morden der Stabskapitän der Infantrie J. Fahrner erteilt. Stanek schreibt in seinem Buch "Verfolgung 1945": Fahrner und Genossen holten die Deutschen aus der Haft im Gefängnis des Kreisgerichts und aus dem Lager Chrastawitz bei Taus. Etliche Personen wurden im Polizeigefängnis erschlagen, andere außerhalb der Stadt. Das war unter anderem das Schicksal von 35 Männern aus Bischofteinitz. Nach einem Bericht des Ministers für nationale Verteidigung aus dem Jahre 1947 wurden die Toten in Massengräbern unweit der Ortschaft Drasenau begraben, es waren insgesamt an die hundert Menschen. Mit Wissen von Fahrner wurden weiter annähernd 120 Menschen, direkt am Tauser Bahnhof erschossen, in dessen unmittelbarer Nähe sie dann auch beerdigt wurden. Fahrner stammt aus einer deutsch-tschechischen Familie. Er und Hauptmann Jan Havel erhielten damals für ihre Widerstandstätigkeit und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in Taus und Umgebung, für die rasche Aussiedlung der Deutschen im November 1945 auf Vorschlag von Oberst K. Vesely-Stainer eine "Belobigungsanerkennung" seitens des Ministeriums des Innern.

Im Bundesarchiv-Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth gibt es zahlreiche Erlebnisberichte von Zeitzeugen über die Massaker in der Umgebung von Taus.

Weiter hat Frau Ilse Orendt in einer "Dokumentation über die Verhaftung und Ermordung von Sudetendeutschen 1945/1946 des Kreises Bischofteinitz" die damaligen blutigen Ereignisse akribisch festgehalten. Nach übereinstimmenden Zeitzeugenberichten sind im Juli 1945 35 Männer aus dem tschechoslowakischen KZ Chrastawitz mit einem Lastwagen zu einer Sandgrube zwischen den Orten Taus und Drasenau gebracht und von zwei alkoholisierten tschechischen Rossmetzgern buchstäblich abgestochen worden. Diese Aussage wurden von verschiedenen Personen eidesstattlich abgeben.

Tschechoslowakische Stellen erteilten über den Verbleib der Männer widersprüchliche Auskünfte.

Deutsche Frauen mussten damals blutige Männerkleidung auswaschen. In einer Jacke der abtransportieren Männer fanden sie eine Raucherkarte. Der Zeuge wertet das als Indiz, dass die Männer ermordet wurden.

Ein weiterer Zeitzeuge beruft sich auf die Aussage eines Tschechen, der diesen Massenmord bestätigte. Bei der Tatausführung sollen tschechische Gendarmeriebeamte und Offiziere des N.S:B auch beteiligt gewesen sein.

Der tschechische Journalist Tauer von der Tauser Tageszeitung "Doma licky" versuchte durch Recherchen Licht in das Dunkle zu bringen. In seinem Bericht, der am 30. 9. 2005 erschienen ist, heißt es: Ein anonymer Brief berichtet davon, wie ein Bewohner von Taus,V. genannt, mit dem Spitznamen "Pferdehändler" mehrmals in Taus zum Bahnhof gegangen ist., wo er bei Deutschen im Zug nach Tätowierungen mit SS-Zeichen gesucht hat. Er besaß die Eigenschaft, sie schnell zu erkennen. Die Ausgewählten nahm er dann mit hinter das Bahnhofsgelände, wo man die Kohle für die Lokomotiven lagerte. Dort erschoss er sie und begrub sie.

Nach den Erlebnisberichten wurden viele Deutsche von Tschechen grausam misshandelt und bestialisch gefoltert. Viele überlebten das nicht. Sie wurde irgendwo verscharrt. Eine Aufzählung würde diesen Beitrag sprengen.

In der Dokumentation von Frau Orendt werden folgende Tatverdächtige genannt:

Bischofteinitz: Krcma (Krtschma), Kommandant des Gendarmeriepostens,
Offiziere Karasek und Schlais
Chrastawitz: Lagerkommissar Pekl (Peklo),
Verwalter Metzuk.
Kommandant Rejt und Mitglieder des KVNB
Fleischer am Roten Turm in Taus
Fleischer Psutka aus Alt- Pössigkau
Oberleutnant Cernunovsky
Taus: Partisan Lt. Kitzberger, Kuselka, Gendarmeriebeamte, Offiziere, NSB, Soldaten.

Staatsanwaltschaft Hof leitete Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen Tatverdächtige ein

Die Staatsanwaltschaft Hof an der Saale leitete gegen die Tatverdächtigen ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes ein. Die Ermittlungen hat inzwischen die Staatsanwaltschaft Regensburg übernommen. Mit den weiteren Ermittlungen zu diesen Massenmorden ist das Landeskriminalamt München beauftragt worden. Wie zu erfahren war, sind Tatverdächtige schon verstorben. Nach dem Lagerkommissar des Konzentrationslager Chrastawitz, Pekl (Pekla) fahndet die Polizei.

Zusammenarbeit mit den tschechischen Strafverfolgungsbehörden gestaltet sich positiv

Die Zusammenarbeit des Landeskriminalamtes München mit den tschechischen Strafverfolgungsbehörden gestaltet sich positiv. Deutsche Kriminalbeamte können in Zusammenarbeit mit tschechischen Behörden dort ermitteln. Die jungen tschechischen Staatsanwälte und Kriminalbeamte stehen den Nachkriegsverbrechen objektiv und unvoreingenommen gegenüber, wurde mitgeteilt. Das Straffreistellungsgesetz vom 8.Mai 1946 fände keine Anwendung mehr.

Heimatvertriebe aus Taus und Umgebung begrüßten das Ermittlungsverfahren.

Es solle keine Rache geübt werden, erklärte eine Frau, die Angehörige durch diese Morde verloren hatte. "Wir wollen nur Gerechtigkeit". Es gehe allein darum, dass auch das uns zugefügte Leid anerkannt wird und um das verletzte Rechtsbewusstsein.

Weitere Massengräber unentdeckt

Nach den Aufzeichnungen von Ilse Orendt sind 202 Personen aus dem Kreis Bischofteinitz grausamen Mördern zum Opfer gefallen. Die Zahl der in den Konzentrationslagern der damaligen tschechoslowakischen Machthaber umgekommenen Opfer dürfte wesentlich höher sein.

Nach diesen Tatsachen gibt es noch weitere Massengräber in der Umgebung von Taus. Eine Bergung dieser Toten kann die Deutsche Kriegsgräberfürsorge jedoch nicht vornehmen, da die Regierung der Tschechischen Republik bisher nicht bereit war, ein entsprechendes Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland zu abzuschließen. Es dürfen nur Kriegsopfer und keine Nachkriegsopfer exhumiert werden.Im Rahmen des laufenden Ermittlungsverfahrens könnten die tschechischen Strafverfolgungsbehörden eine Exhumierung anordnen. Dazu müssten aber erst die weiteren Massengräber gefunden werden. Den Ermittlern steht eine Wand des Schweigens gegenüber.

Adolf Wolf