SL Hessen

Ausstellung über die Sudetendeutschen Sozialdemokraten

Informationen im Foyer des Groß-Gerauer Landratsamtes

Mit einer Aufforderung aus dem Kommunistischen Manifest eröffnet eine Ausstellung im Foyer des Landratsamtes Groß-Gerau: "Proletári všech zemí, spojte se! - Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" Sie beschließt mit dem Hinweis auf die moderne Seliger-Gemeinde: "Erinnern und Gestalten". Auf den 39 Tafeln wird in Deutsch und Tschechisch die Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokraten erzählt. Sie reicht von den Anfängen der Arbeiterbewegung in Böhmen, Mähren und Schlesien Mitte des 19. Jahrhunderts über die 1919 gegründete Deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik bis zur Treuegemeinschaft im Exil während der NS-Diktatur.

Landrat Thomas Will bezeichnete zu Beginn der Gemeinschaftsveranstaltung von Kreisverwaltung, Bund der Vertriebenen (BdV) und Sudetendeutscher Landsmannschaft (SL) den Erfahrungsschatz der sudetendeutschen Arbeiterbewegung als wichtigen Teil der deutsch-tschechischen Geschichte "und damit auch unserer eigenen Geschichte". Es gehe um Faktenwissen über politische Systeme und Ordnungen ebenso wie um die Vermittlung von Haltungen und Einstellungen. Dabei wies Will auch darauf hin, dass Sozialdemokraten dem Terror des NS-Regimes ausgeliefert gewesen, für ihre politische Überzeugung verfolgt, verhaftet, ermordet worden seien.

1951 trat die Seliger-Gemeinde als "Gesinnungsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten" die Nachfolge der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei an. Namensgeber war der erste Vorsitzende Josef Seliger. So war zur Eröffnung auch der Co-Vorsitzende Albrecht Schläger gekommen. Er erinnerte an die Bildung des Kunststaates Tschechoslowakei nach dem Ersten Weltkrieg, in dem Seliger für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen gekämpft habe.

Die von ihm gegründete Partei erreichte bei der Wahl zum Prager Parlament 44 Prozent, "das ist einsame Spitze, das gibt es nirgends". Der 1938 gewählte Vorsitzende Wenzel Jaksch habe seine Landsleute vor Hitler gewarnt: "Gleichberechtigung durch Frieden oder Untergang durch Krieg!" In seinem historischen Exkurs nannte er Jaksch einen Vorbereiter der Ostpolitik Willy Brandts.

Der frühere Landrat Willi Blodt, SPD-Bundestagskandidat Jan Deboy. Der Groß-Gerauer Stadtverordnetenvorsteher Klaus Meinke und BdV-Landesvorsitzender Siegbert Ortmann gehörten zu den Gästen. Vor ihnen beklagte SL-Kreisvorsitzender Helmut Brandl, dass der sudetendeutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Jahren 1938/45 heute weitgehend vergessen sei. Am Beispiel des Groß-Gerauer Neubürgers Wilhelm Leschak aus Teplitz-Schönau berichte etwa die Dokumentation von Ortrud Becker über die Heimatvertriebenen im Kreis Groß-Gerau.

Die Ausstellung im Kreishaus kann bis zum 31. Juli zu den Öffnungszeiten des Landratsamts (Montag bis Donnerstag 8 bis 18 Uhr und Freitag 8 bis 12 Uhr) besichtigt werden.

Text: Hans-Josef Becker
Juli 2017