Deutsch-tschechische Zusammenarbeit im Bereich der Straffälligen- und Opferhilfe

Während die Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Polizeibehörden gut funktioniert, bestand bisher bei der Straffälligen- und Opferhilfe eine Lücke. Dieses Manko wurde vom Freistaat Sachsen beseitigt. Seit dem 2. Mai 2007 gibt es in Heidenau die Europäische Beratungsstelle für Straffälligen- und Opferhilfe.

Bei einem Seminar des Deutsch-Europäischen Bildungswerks Wiesbaden (Bildungseinrichtung des Landesverbandes Hessen des Bundes der Vertriebenen) stellte die Leiterin dieser Einrichtung, Dr. Paula Tischer, ihr Aufgabengebiet vor.

In ihrem mit bildreichen Worten gespickten Vortrag - die Teilnehmer hörten gespannt zu - berichtete sie aus der Praxis. Zu ihrem Arbeitsprogramm zähle der Besuch von sächsischen Justizvollzugsanstalten, in den tschechische Bürger einsitzen. Da sie Tschechin sei, gebe es keine Sprachprobleme. Ihr Arbeitsschwerpunkt liege zur Zeit in Dresden; mit den Justizvollzugsanstalten in Bautzen, Görlitz und Chemnitz stehe sie auch in Kontakt. Ihren Tätigkeitsbereich umriss sie wie folgt: Sozialpädagogische Betreuung der Häftlinge, Mitwirkung bei der Tataufarbeitung und Hilfe bei der durch die Inhaftierung entstandenen sozialen Probleme. Zu ihrem Klientel bemerkte Frau Tischer, der überwiegende Teil der in Sachsen einsitzenden tschechischen Straftäter, hätte kleinere Straftaten verübt oder es handele sich um die Folgen eines Bußgeldverfahrens. Hier wartete sie mit Beispielen auf. So führte sie wiederholte Ladendiebstähle zu Erwerbszwecken in Pirna und Umgebung, den Verdacht der Autohehlerei und des Reifendiebstahl in Heidenau an. In neunzig Prozent der Fälle sei Arbeitslosigkeit die Ursache der Kriminalität. In einem weiteren Fall bestehe der Verdacht der Prostitution. Hier liefen die Ermittlungen noch. Außerdem berate sie Ratsuchende bei Ratenzahlungen von Strafbefehlen und bei Kostenbescheiden.

Als Resozialisierungsfaktor bezeichnete Frau Tischer das Ableisten gemeinnütziger Arbeit. Diese Tätigkeit spiele nicht nur eine Rolle für den Verurteilten, sondern auch für die Gesellschaft. Das Gericht könne den Verurteilten gemeinnützige Arbeit auferlegen. Es bestehe die Möglichkeit, dass tschechische Staatsbürger die gemeinnützige Arbeit in der Tschechischen Republik ausführten. Hier arbeite sie eng mit den tschechischen Stellen zusammen. Nach der EU-Erweiterung hätten sich in den Grenzregionen in vielen sozialen Bereichen neue Möglichkeiten eröffnet. Als Beispiele für Institutionen, bei denen gemeinnützige Arbeit abgeleistet werden kann, führte sie an, das deutsche und tschechische Rote Kreuz, kirchliche Einrichtungen, der deutsche und tschechische Caritasverband, Krankenhäuser, Kinder-, Jugend- und Altenheime, Stadtreinigung, Tierheime und Friedhöfe.

Frau Tischer fuhr fort, in der Maßnahme "Vermittlung gemeinnütziger Arbeit" würden die tschechischen Bürger von der Beratungsstelle während der gesamten Zeit begleitet. Bei eventuell aufgetretenen Schwierigkeiten werde mit dem Betroffenen gesprochen und versucht, das Problem zu lösen. Nach Abschluss der gemeinnützigen Tätigkeit fertige die Betreuerin ein Protokoll an, in dem der gesamte Arbeitsablauf bzw. die Gründe eventueller Arbeitsunterbrechungen festgehalten würden. Das Protokoll gehe den Staatsanwaltschaften bzw. den Sozialen Diensten der Justiz zu.

Als einen weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit führte Paula Tischer die Opferhilfe auf. Hier solle wie im Bereich der Straffälligenhilfe ein Netzwerk aufgebaut werden. Dabei würden Organisationen und Begegnungszentren in der Tschechischen Republik mit einbezogen.

Dreijährige Erfahrungen mit Polen hat die Beratungsstelle für Straffälligen- und Opferhilfe in Görlitz/Zgorzelec. Wie sich dort zeigte, sei es in einigen Fällen sinnvoll und begründet, den ausländischen Straffälligen das Ableisten der Stunden gemeinnütziger Arbeit in ihrem Heimatland zu erlauben. Als Grund hierfür nannte die Referentin die finanzielle und familiäre Situation der Straffälligen sowie Sprachhindernisse.

Adolf Wolf

Dezember 2007