Außerordentliche Landesversammlung der SL-Hessen in Gießen

am
15. November 2003

Tschechische Regierung zu Gesprächen aufgefordert

Bei der außerordentlichen Landesversammlung der Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Landsmannschaft,die anlässlich der Wahlen zur Bundesversammlung in Gießen stattfand, forderten die Delegierten in einer Entschließung die tschechische Regierung zu Gesprächen über die offenen Fragen der Sudetendeutschen auf.

Weiter gab Landesobmann Alfred Herold einen Rückblick über das zurückliegende Jahr.

Herold dankte allen für das engagierte Wirken. Es sei viel geleistet worden.

Als besonderes Ereignis stellte er die Eröffnung des Büros der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Prag heraus. Das Jahr 2003 habe auch große Enttäuschungen gebracht. wie die Abstimmung im Europäischen Parlament über die EU-Erweiterung.

Die völkerrechtswidrigen Benesch-Dekrete, soweit sie die Sudetendeutschen betreffen, und das sogenannte Straffreistellungsgesetz wären immer noch ein Teil der tschechischen Rechtsordnung. Herold übte in diesem Zusammenhang Kritik an der Bundesregierung. Nach seiner Meinung wäre das sudetendeutsche-tschechische Verhältnis weit besser, wenn die Bundesregierung die Belange der sudetendeutschen Volksgruppe vertreten hätte. Der Landesobmann warnte vor einer Schlussstrichmentalität. In diesem Zusammenhang zitierte er Joachim Gauck, der dazu bemerkte: "Ein Schlusspunkt hat in der Vergangenheit immer nur denen gedient, die vom Unrecht gelebt haben".

Weiter ging Herold auf die Diskussion um das Zentrum gegen Vertreibungen ein.
Er dankte der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, die dieses Projekt klug, beharrlich, überzeugend und glaubwürdig in der Öffentlichkeit vertrete.

Der Landesobmann beanstandete den Verdrängungseffekt in den Medien hinsichtlich der Vertreibung der Deutschen. Offensichtlich würde in Polen und in der Tschechischen Republik befürchtet, dass über Verbrechen an Deutschen öffentlich diskutiert werde. Herold wandte sich gegen jegliche Kollektivschuld. Schuld sei immer individuell.

Zum sudetendeutsch-tschechischen Verhältnis bemerkte Herold, auf der Ebene von Mensch zu Mensch sei die Verständigung schon weit fortgeschritten. Weiterhin beklagte er die starre Haltung der tschechischen Spitzenpolitiker gegenüber den Sudetendeutschen. Diese Haltung verletze das Rechtsempfinden der Opfer. Der Landesobmann rief dazu auf, alles zu tun, damit das Schicksal der sudetendeutschen Volksgruppe im Bewusstsein des deutschen Volkes erhalten bleibt.

Die Delegierten verabschiedeten einstimmig eine Entschließung, wonach die von Bundespräsident Johannes Rau und dem polnischen Staatspräsidenten Kwasniewski abgegebene "Danziger Erklärung" mit Einschränkungen begrüßt wurde.

Die offenen Fragen der deutschen Heimatvertriebenen dürften nicht außer Acht gelassen werden, heisst es in der Entschließung. Weiter fordern die Delegierten die Regierung der Tschechischen Republik auf, Gespräche mit Vertretern der sudetendeutschen Volksgruppe im Geiste des Wiesbadener Abkommens vom 4. August 1950 zu führen. Bezüglich der offenen Vermögensfrage wird ein für beide Seiten tragbarer Ausgleich verlangt. Weiter fordern die Delegierten, die Diskriminierung der deutschen Bevölkerung in der Tschechischen Republik zu beenden.

Dazu erklären die Delegierten:

In Bezug auf die Rückgabe des enteigneten Vermögens ist die deutsche Volksgruppe in der Tschechischen Republik gegenüber der übrigen Bevölkerung noch ganz erheblich benachteiligt. Darin wird ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im Sinne der EU-Charta gesehen.
Zu einer dauerhaften Verständigung kann es nur nach einer objektiven Aufarbeitung der beiderseitigen Geschichte und nach Klärung der bisher offenen Fragen kommen.
Im Jahre 1950 als die Wunden der Vertreibung noch nicht geheilt waren, haben bereits Vertreter des Tschechischen Nationalausschusses und Vertreter der Sudetendeutschen gemeinsame Lösungen vorgeschlagen. Im Wiesbadener Abkommen heisst es: Beide Teile lehnen die Anerkennung einer Kollektivschuld und des aus ihr fließenden Rachegedankens ab, sie verlangen aber die Wiedergutmachung der Schäden, die das tschechische Volk und das sudetendeutsche Volk erlitten haben und die Bestrafung der geistigen Urheber und der ausführenden Organe der begangenen Verbrechen.
Regierung und Parlament der Tschechischen Republik werden aufgefordert, im Sinne dieser Grundsätze zu verfahren.

Der Präsident der Landesversammlung Reinfried Vogler verlas ein Grußwort der Landesbeauftragten der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Rudolf Friedrich. Darin bekundete der Landesbeauftragte seine Verbundenheit.

Abschließend bemerkte Präsident Reinfried Vogler, es bestehe kein Grund zur Resignation. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft wende sich nicht gegen den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union. Die EU sei jedoch eine Rechts- und Wertegemeinschaft. Die Tschechische Republik müsse sich an diese Werteordnung halten. "Wir haben die besseren Argumente. .Wir müssen Geduld zeigen und wir können mit Opitimismus in die Zukunft sehen", motivierte er die Delegierten.

Adolf Wolf