Die Vertreibung der Deutschen wirkt sich heute noch auf die Grenzgebiete aus

Während der kommunistischen Diktatur in der Tschechoslowakei war die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg ein Tabu. Auch heute noch wird dieses Thema auf der obersten politischen Ebene ausgegrenzt. Im kommunalen Bereich in der Tschechischen Republik sieht es jedoch anders aus. Das zeigte besonders ein Seminar des Deutsch-Europäischen Bildungswerks Wiesbaden, (Bildungseinrichtung des Landesverbandes Hessen des Bundes der Vertriebenen).
Die einzelnen Veranstaltungen fanden in Karlsbad (Karlovy Vary), in Eger (Cheb) und in Asch (As) statt. Dabei wurde ganz deutlich, dass die Vertreibung der Sudetendeutschen heute noch negative Auswirkungen auf die betreffenden Regionen hat.

Kultur der Egerländer ging durch die Vertreibung unter

Bei einem Empfang im Rathaus von Eger hob Oberbürgermeister Dr. Jan Svoboda besonders hervor, dass Eger einmal eine deutsche Stadt war. Rückblickend stellte er fest, die Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Eger angesiedelt wurden, hätten keinerlei Beziehungen zu ihrer Stadt entwickelt. Die Egerländer Kultur sei untergegangen. Erst die Generation um fünfzig habe Wurzeln gefunden. Jetzt komme es darauf an, die junge Generation in der Stadt zu halten. Der Oberbürgermeister bezeichnete sich als Egerländer. Zwischen Deutschen und Tschechen gebe es keine Spannungen. Die großen Besucherzahlen bei der grenzüberschreitenden Gartenschau bewiesen das. Allerdings werfe bei der älteren Generation die Vergangenheit noch ihre Schatten. Erst mit der jungen Generation trete eine vollständige Änderung ein.

Vergangenheit muss gemeinsam aufgearbeitet werden

Auch der Bürgermeister der Grenzstadt Asch/As, Dalibor Blazek, stellte die deutsche Vergangenheit der Stadt heraus. Asch habe in der Vorkriegszeit nach Prag das höchste Steueraufkommen in der Tschechoslowakei gehabt. Die Vertreibung brachte einen tiefen Einschnitt in die Struktur von Asch. Vor der Vertreibung hätten etwa 25.000 Bürger in Asch gelebt. 97 Prozent seien Deutsche gewesen. Nach Abschluss der Vertreibungsmaßnahmen blieben etwa 2.000 Einwohner zurück, darunter hauptsächlich Facharbeiter und Antifaschisten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg litt Asch unter der Invasion der so genannten Goldgräber, stellte Blazek heraus. Die Stadt habe heute etwa die Hälfte der Einwohner wie in der Vorkriegszeit.

Auf die Nachkriegszeit eingehend fuhr er fort, dass das Grenzregime während der kommunistischen Zeit tiefe Wunden gerissen habe. Der Ascher Zipfel konnte nur mit einem Passierschein erreicht werden.
Weiter seien ganze Straßenzüge von Asch abgerissen worden.

Nach der Wende erlebte die Stadt eine neue Invasion von Goldgräbern. Sie kauften Gebäude auf und erhofften sich hohe Gewinne bei der Veräußerung, so schilderte Bürgermeister Blazek die damalige Situation. Es trat jedoch eine andere Entwicklung ein. Die Gebäude drohten zu verfallen. Das Antlitz der Stadt müsse sich verändern, forderte er. Hier seien schon Anstrengungen unternommen worden. Bürgermeister Blazek trat weiter für eine gemeinsame Aufarbeitung der Vergangenheit ein. Die schmerzlichen Ereignisse der Nachkriegszeit müssten verkraftet werden.

Besonders begrüßte der Bürgermeister von Asch, dass ehemalige Einwohner in die Stadt zurückfänden. In diesem Zusammenhang lobte er die gute Zusammenarbeit mit dem Heimatverband des Kreises Asch. Bei einer Zusammenkunft mit dem Staatspräsidenten Vaclav Klaus werde er die konstruktive Zusammenarbeit mit den vertriebenen Sudetendeutschen würdigen.

Über die mit Karlsbad bestehenden Städtepartnerschaften referierte Jitka Hradilkova vom Amt für internationale Beziehungen. Weltweit bestünden Städtepartnerschaften mit der Weltkurstadt. Am aktivsten nannte sie die Städtepartnerschaft mit deutschen Kommunen, und zwar mit Baden-Baden und Bernkastel-Kues. Hier seien schon familiäre Bindungen entstanden.

Auf der Ebene von Mensch zu Mensch funktioniert die Verständigung

Dr. Pavla Tiserova stellte fest, dass auf der Ebene von Mensch zu Mensch die Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen funktioniert. Das treffe insbesondere auf die vertriebenen Sudetendeutschen zu. Die Sudetendeutschen würden die Mentalität der Tschechen verstehen.

Frau Dr. Tiserova war maßgebend an dem EU-Projekt "Border Identity" beteiligt.

Sie untersuchte die Lebensumstände auf beiden Seiten der deutsch-tschechischen Grenze, namentlich in Weipert/Vejprty auf der tschechischen Seite und in Bärenstein in Sachsen. In diesen Regionen sei eine Abwanderung der Bevölkerung festzustellen. Nur die älteren Generationen bleiben zurück, konnte sie berichten.

Keine Probleme mit der deutschen Minderheit

Auch die deutsche Minderheit kam zu Wort. Dipl. Ing. Eduard Mayer von der deutschen Minderheit in Karlsbad beklagte die Passivität der Behörden, obwohl die Rechte der Minderheiten in der Verfassung garantiert seien. Er lobte die gute Zusammenarbeit mit der Egerländer Gmoi. Die Medien in der Tschechischen Republik würden aber keine Berichte über die Deutschen in der Tschechischen Republik bringen. Das führte er darauf zurück, dass es keine Probleme gebe, die für die Berichterstattung von Interesse seien.

An der Veranstaltung in Karlsbad nahm auch der Referent für Minderheitenfragen, Pavel Vaculik, teil. Er überbrachte die Grüße des Landrats. Wie er ausführte, gibt es mit der deutschen Minderheit keine Probleme.

Christa Hruba, Leiterin des deutsch-tschechischen Begegnungszentrums in Eger, nannte als Ziel dieser Einrichtung, Vorurteile abzubauen. Konflikte mit der tschechischen Bevölkerung habe es nicht gegeben. Es bestünden gute Kontakte mit dem Gymnasium in Eger und mit der Hochschule.
Schüler und Studenten nutzten intensiv die Bibliothek des Begegnungszentrums.
Manfred Hüber, in Karlsbad geboren, schilderte seine Eindrücke als Kind während der Vertreibung. Die Aufnahme in Biskirchen in Hessen sei im Verhältnis zu Karlsbad ein Kulturschock gewesen.

Tschechische Republik als atheistischen Staat bezeichnet

Das Seminarprogramm umfasste auch einen Besuch der christlichen Kirchengemeinden.

Monsignore Mixa, Karlsbad, beklagte, dass durch die Vertreibung der Sudetendeutschen viele Kirchengemeinden ausgelöscht worden seien. Die Menschen würden ohne Gott leben. Es bestehe eine Konsummentalität. Die Medien manipulierten die Menschen. Die Tschechische Republik bezeichnete er als einen atheistischen Staat. Monsignore Mixa blickte optimistisch in die Zukunft. Junge Atheisten seien getauft worden und eine kleine katholische Gemeinde entstanden.
Das lasse hoffen.
Weiter übte er Kritik, dass in vielen Positionen noch die alten Kommunisten ihre Macht ausübten.

Kampf des kommunistischen Regimes gegen die Kirche wirkt sich noch aus

Der evangelische Pfarrer von Asch, Pavel Kucera, sah im Grenzgebiet eine Säkularisierung. Der Kampf des kommunistischen Regimes gegen die Kirche wirke sich noch aus. Gegen den christlichen Glauben bestünden heute noch Vorurteile. Die Christen würden im Grenzland am Rande der Gesellschaft leben. Die Kirchen seien keine Partner der Kommunalpolitik.

Die Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Ascher Zipfel angesiedelt worden seien, hätten keine Heimat im christlichen Sinn gefunden. Im Ascher Gebiet lebten noch etwa 500 Gläubige, die dem evangelischen Glauben angehörten. Zum Gottesdienst kämen nur drei Gläubige. Pfarrer Pavel Kucera, Tscheche, bedauerte, dass sich die Assimilierung des Deutschtums fortsetzte. In zehn bis zwanzig Jahren gebe es keine zweisprachigen Kirchengemeinden mehr.

In Karlsbad eröffnete Dr. Hans Jandl die zweisprachige Ausstellung "Fakten deutsch-tschechischer Geschichte".

Tschechische Teilnehmer an diesem Seminar begrüßten solche Begegnungen. Nur so könnten Vorurteile abgebaut werden.

Adolf Wolf